Ausgabe 1/2007

Als beklemmend beschreiben viele Menschen das Gefühl, das sie beschleicht, wenn sie eine Pflegeeinrichtung besuchen. Ein Pflegedienstleiter eines Seniorenheims drückt es konkreter aus: „Es fehlt das Menschliche, für intensive Gespräche bleibt keine Zeit. Deswegen sind viele Bewohner enttäuscht, weil sich ihre Erwartungen im Altenheim nicht erfüllt haben.“

Eine Pflegeeinrichtung ist nur für ihre Bewohner da. Sollte man zumindest meinen. „Das Personal hat zuwenig Zeit für die Bewohner, alles geht straff nach der Uhr“, erzählt eine Ehrenamtliche. „Der Alltag ist einfach stupide, man merkt, wie manche Bewohner unheimlich schnell abbauen“, beobachtete die Tochter einer Bewohnerin . „Alle sitzen den ganzen Tag nur herum“, lautete eine weitere Aussage. Den Grund für diese Misere sehen viele in den Arbeitsbedingungen des Personals.

„Die sind zumeist durch die vielen Aufgaben überlastet und haben Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie sich über die Arbeitsbedingungen beschweren,“ sagt eine ehemalige Mitarbeiterin.

Die alten und kranken Menschen stehen im Mittelpunkt, nur ihre Bedürfnisse zählen. Sollte man zumindest meinen. Zweifelsohne erfordert es sehr viel Einfühlungsvermögen, sich in die Lage eines alten und kranken Menschen zu versetzen, der nicht mehr in der Lage ist, sich selbstständig zu versorgen. Dies ist äußerst schwer, denn er befindet sich in fataler Abhängigkeit von seiner Umwelt.

Diese tiefe innere Ohnmacht – ob bewusst oder unbewusst erlebt – ist für seinen Seelenzustand sehr gefährlich. Ein gesunder Mensch, der kurzzeitig erkrankt, hat die Hoffnung, wieder gesund zu werden. Diese Hoffnung schenkt ihm die Kraft, seinen Lebenswillen nicht aufzugeben. Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, entwickeln oftmals einen starken Überlebenswillen. Sie kämpfen um ihr Leben. Und genau dieses Aufbäumen gibt ihrem Leben einen Sinn. Doch wie steht es mit dem Lebenssinn und der Wertigkeit eines alten, kranken und pflegebedürftigen Menschen? Wenn seine Hilflosigkeit zum Leben bestimmenden Grundgefühl wird, dann hat das dramatische Auswirkungen. Der Mensch resigniert, er gibt sich auf, jegliche Motivation schwindet und der Handlungsantrieb wird sehr gering. Lässt man diesen Menschen nun in seiner Passivität verharren, dann schwinden auch die letzten Kompetenzen. Das Lebensfeuer erlischt.

Der Sinn des Lebens besteht nämlich darin, dass es gelebt wird. Das wissen auch Betreiber von Seniorenheimen und so sind sie bemüht, das so genannte „Leben“ ins Haus zu holen. Wie z. B. durch Besuche von Kindergarten-Kindern und Ehrenamtlichen. Alte und kranke Menschen zu revitalisieren ist schwierig, vor allem wenn die Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben sind. Eine gut geführte Pflegeeinrichtung zeichnet sich insbesondere durch eine gesunde Personal- und Lohnpolitik aus. Diese garantiert motivierte und engagierte Mitarbeiter, die sich auf das Wesentliche konzentrieren: Nämlich auf den alten und kranken Menschen, der ein würdevolles und sinnerfülltes Leben verdient.

Missstände im Gesundheitssystem können nur behoben werden, wenn Angehörige, Ehrenamtliche und Mitarbeiter die Konfrontation mit diesem Thema nicht scheuen. Deswegen ist Ihre Stimme gefragt. Wenden Sie sich bitte ans Pflegenetz Heilbronn e.V. und berichten Sie von Ihren Erfahrungen und Erlebnissen mit Krankenhäusern, ambulanten und stationären Pflegedienstleistern.

Alle Ihre Zuschriften werden vertraulich behandelt. Denn erst, wenn das Kind beim Namen genannt wird, gibt es eine Chance auf Veränderung.

Anne Väisänen, Journalistin